"Der gläserne Mensch"

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© Thomas Dreier


PRESSEMITTEILUNG

Franke zelebriert unter dem Titel
„Rodrigo oder der Zauberturm“
Marquis de Sade feat. Jorge Luis Borges’
“Einhorn, Sphinx und Salamander”
eine allegorische Erzählung und dahinein das Buch der imaginären Wesen


Wir wissen doch alle soviel: Donatien-Alphonse-François, Marquis de Sade (1740 - 1814) war ein französischer Adeliger, der anhand einer Reihe pornographischer, kirchenfeindlicher und philosophischer Romane bekannt wurde. De Sades Werke beeinflussten eine Reihe von wichtigen Bewegungen in Literatur und bildender Kunst und nahmen Freuds - trotz aller theoretischer Freude an seinen Gedankenspielen und Theorien eher anzuzweifelndes Prinzip von Eros und Thanatos um mehr als ein Jahrhundert vorweg.
Von de Sades Namen ist der Begriff Sadismus abgeleitet. De Sade, der die Schriftstellerei 1769 mit Reiseschilderungen begonnen hatte, schrieb z.B. um 1785 den unvollendeten Episodenroman „Die 120 Tage von Sodom“, worin er eine 120-tägige Gewaltorgie und eine breite Palette sexueller Praktiken skizziert, die er von seinen Protagonisten an einer Gruppe entführter und versklavter Jugendlicher beiderlei Geschlechts ausführen lässt. Der Roman wurde 1975, unter Verlegung der Handlung in die Zeit des italienischen Faschismus, von Pier Paolo Pasolini verfilmt.
Anläßlich dieser szenischen Lesung setzt Franke die allegorische Erzählung
„Rodrigo oder der Zauberturm“ des mystischen Marquis de Sade auf den Plan und er intertextualisiert sie mit Auszügen aus dem Buch der imaginären Wesen „Einhorn, Sphinx und Salamander“ des Argentiniers Jorge Luis Borges.
De Sades Erzählung, eine der vier aus der Sammlung „Verbrechen der Liebe“ (1795), berichtet allegorisch von der sagenumwobenen Gestalt Rodrigos, des letzten Königs der Westgoten, und von seinem Tod im Kampf gegen die Araber. Die Sammlung „Verbrechen der Liebe" zeigt eine vielen Lesern unbekannte Facette des umstrittenen französischen Schriftstellers Marquis de Sade – nämlich den „Moralisten". Nach der Meinung seines Biographen Gilbert Lely begab sich de Sade mit dieser Sammlung auf die Suche nach literarischer Ehrbarkeit und unternahm damit den Versuch, sein Image als Pornograph loswerden, den ihm seine Romane eingebrockt hatten. Wer also von Blut und Sperma triefende Orgien und Exzesse erwartet, wird sehr enttäuscht sein. Vielmehr ließ sich de Sade vom Stil der Kunstmärchen, die heute unter der Genre-Bezeichnung Fantasy verkauft werden, inspirieren: Der Tyrann Rodrigo sieht seine einzige Chance, den feindlichen Heeren etwas entgegenzusetzen zu können, darin, daß er genügend Gold zusammenbekommt, um Söldner zu dingen. Er reist also zu einem Zauberturm, der – wie das Gerücht geht – einen Schatz beherbergen soll. Nachdem er erfolgreich seinen Weg durch eine grauenhafte Märchenwelt gefunden hat, wird er im Zweikampf von Florinde getötet, jene Frau, die er durch seine Schändungen - de Sade entkommt in keiner literarischen Äußerung seinen Obsessionen - zum Selbstmord trieb, und deren Vater daraufhin den Krieg gegen ihn anstrengte.
Ein ergänzendes Werk - und zum Intertextualisieren günstigst geeignet - ist das Lexikon der imaginären Wesen „Einhorn, Sphinx und Salamander“ des blinden argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges (1899 - 1986) , einer der Begründer des Magischen Realisimus, mit dessen Hilfe Franke dieses oder jenes dem Tyrannen Rodrigo auf seinem Weg erscheinende Fabelwesen näher beschreiben wird.







szenische Lesung


Infoblatt

Der neben seinem Schauspieler-Beruf auch als international renommierter Grafiker und Buchgestalter (u.a. Bücher von Stanislaw Lem, Arkadi und Boris Strugatzki oder Phillip K. Dick) sowie als Musiker bekannte Thomas Franke wurde am 15. Mai 1954 in Köthen, im heutigen Sachsen-Anhalt, geboren. Er begann mit dem Studium der Physik, wechselte jedoch 1975 an die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle, um freie Malerei sowie die grafischen Techniken zu studieren, woran sich 1980 das Studium der darstellenden Kunst (Schauspiel) in Berlin auf der Berlin-Schöneweider Ernst-Busch-Akademie und für die Abschlussjahre an der berühmten GITIS, das staatliche Institut für Theater und Schauspielkunst „Lunatscharski“ im Vor-Glasnost-Moskau anschloß. Franke machte – nach ständigem Ärger um seine eigenwillige Kunstauffassung 1984 in den Westen Deutschlands gewechselt – hier seinen Schauspieler-Weg an Stadttheatern wie dem der Bundesstadt Bonn, Landes- und Experimental- sowie Freilicht-Bühnen. Mit dem Deutsch-Griechischen Theater Köln arbeitet Franke seit 1997 als Schauspieler; während dieser Zeit spielte er in 16 Theaterproduktionen mit.

Der wohl eigenwilligste Einzelgänger unter Deutschlands Schauspielern erreichte Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrtausends Medienruhm aufgrund seines heute noch gespielten Monologs „DAS MODELL“, ein Theaterstück für jeweils nur einen Zuschauer nach H. P. Lovecrafts Erzählung „Pickmans Modell“. Die Inszenierung lief inzwischen mit mehr als 800 Aufführungen in Bonn, Köln und vielen anderen Städten Deutschlands sehr erfolgreich und machte Franke auch in der Theaterszene sehr bekannt, weil mit diesem Stück zum ersten Mal die Frage beantwortet wurde, ob im Theater die Konstellation, daß ein Schauspieler für einen Zuschauer spielt, noch funktioniert. Im Jahr 2001 wurde „DAS MODELL“ für den deutsch-französischen Kultursender ARTE mit ihm verfilmt. Mit einer weiteren typischen Franke-Produktion, „STÖRWERK – MONOLOG FÜR EINEN SHAKESPEAREKÖNIG UNTER EINER NEBENWIRKUNG“ wurde ihm mit der begehrten Einladung zum Internationalen Festival des Freien Theaters „New York International Fringe Festival“ die wohl bisher größte Ehrung seines Schauspieler-Berufs zuteil: 2000 erhielt Franke von der Jury in Manhattan in New York den „Fringe Overall Award for the Best Male Performance“ verliehen. Neben seinen Bühnenrollen, mit denen Franke sich einen exzellenten Ruf als Schauspieler erarbeitete, trat er jedoch auch in zahllosen Film- und Fernsehproduktionen auf, spricht für verschiedene Radiosender Deutschlands in Hörspielen und Features und liest Hörbücher ein, - inzwischen für den eigenen Hörstücke-Verlag ULULATION-RECORDS.

Als Grafiker gestaltete er zwischen 1979 und 1983 die „PHANTASTISCHE BIBLIOTHEK“ des Suhrkamp Verlages mit Buch-Titelvignetten, wofür er 1981 und 1982 mit dem „Kurd-Laßwitz-Preis für phantastische Grafik“ ausgezeichnet wurde. Für die Gestaltung des Buchs „Der Zeiter“ mit Erzählungen von Wolfgang Jeschke, das im Berliner Shayol-Verlag erschien, erhielt er diesen Preis erneut für das Jahr 2006 zugesprochen; und ein viertes Mal zeichnete man ihn 2012 für die grafischen Arbeiten aus, mit denen er das Magazin EXODUS 29 gestaltete. Aber nicht nur die bildkünstlerische Arbeit für diese, sondern auch für viele andere Verlage der Welt, seine skurrile, manchmal krude Fantasie sicherte ihm über Jahrzehnten einen künstlerischen Ruf als schillernder Außenseiter und Kunst-Experimentator, dessen Versuche gelingen.